Am 24. Mai 1869, dem Fest „Maria Hilf“, eröffnete die katholische Kirchengemeinde St. Augustinus durch ihren Pfarrer Heinrich Spaller das erste Hospital in der damaligen Gemeinde Gelsenkirchen – nicht in Ückendorf, dem heutigen Standort, sondern eigentlich mitten in der damaligen „Stadt“, in der Kirchstraße 7. Die 1860er und 1870er Jahre waren für Gelsenkirchen so etwas wie Boom-Jahre – die stark anwachsende Eisenindustrie, aber auch der Bergbau brachten nicht nur Segen und einen gewissen Reichtum in die Region und Auskommen für die Menschen, sondern auch eine zunehmende Zahl von schwerverletzten Arbeitern. Und die grassierenden, meist epidemisch auftretenden Infektionskrankheiten nahmen an Häufigkeit und Anzahl der Fälle zu. Wer sich heute mit alten „Krankheitsstatistiken“ aus diesen Zeiten beschäftigt, fühlt sich vielleicht sogar an Berichte aus Entwicklungsländern erinnert: Die Statistiken berichten von Pocken, Typhus, Ruhr, Cholera, aber auch von ganzjährig auftretenden Fällen von Tuberkulose und Malaria.

Die Anfangsjahre an der Kirchstraße 7

Wer sich mit der Geschichte des Marienhospitals beschäftigt, kommt an Namen nicht vorbei. Pfarrer Heinrich Spaller konnte auf die großartige Vorarbeit von Pfarrer Heinrich Nothaus aufbauen, der der Gemeinde nicht nur das Gebäude für den ersten Standort geschenkt hatte, sondern der bereits 1861 die Schwestern der Kongregation „Arme Dienstmägde Jesu Christi“ nach Gelsenkirchen holte – Schwestern, die sich auch in besonderem Maße der ambulanten Krankenpflege widmeten.

Zwei von ihnen, Schwester Silveria und Schwester Suitberta, waren es auch, die am 25. Mai 1869, also einen Tag nach der Einsegnung des Marienhospitals, den Fabrikarbeiter Phillipp Schumacher, der sich in einem Walzwerk schwere Brandverletzungen an beiden Beinen zugezogen hatte, aufnahmen und pflegten. Schon im Juli 1869 ist mit 23 Patienten die maximale Aufnahmekapazität für den provisorischen Krankenhausbetrieb im frühen Vikarshaus an der Kirchstraße erreicht – und das, obwohl das Hospital (wie damals üblich) nur Männern offen steht. Denn in dieser Zeit gilt: Frauen und Kinder werden zu Hause kuriert. Und auch diejenigen, die es sich leisten konnten, ließen sich zu Hause von Ärzten oder Heilkundigen behandeln.

Steigender Bedarf durch Bergbau, Industrie und Epidemien

Zur Historie des Marienhospitals Gelsenkirchen zählen aber unbestritten auch die Mitglieder des damaligen sogenannten Komitees zur Gründung eines katholischen Krankenhauses in Gelsenkirchen – hier ist besonders Knappschaftsarzt Dr. August Grüttner zu nennen, der von Pfarrer Spaller als Hausarzt für das neugegründete Haus eingestellt wurde. Insgesamt hatte das neue Haus Platz für 23 Patienten – wegen der Konzession von Dr. Grüttner war es aber nur für die Versorgung männlicher Verletzter, vornehmlich Unfallopfer aus Industrie und Bergbau, zugelassen.

Die Aufnahme weiterer Patienten, so beschreiben es Chroniken aus dem Archiv des Marienhospitals, musste bereits nach wenigen Monaten gestoppt werden. Und anhand der Patientenzahlen der folgenden Jahre wurde schnell klar: Das „Provisorium“ platzte mit 165 Patienten in 1870, 310 Patienten in 1871 und 426 Patienten in 1872 quasi aus allen Nähten! Die Kriegswirren 1870/1871 einerseits und die Pockenepidemie im Winter 1871/1872 sorgten dafür, dass das Gesellenhaus der Gemeinde St. Augustinus zunächst zum Lazarett und anschließend zum Pockenlazarett umgewandelt wurde.

Standortwechsel an die Kirchstraße / Ecke Ringstraße

Nicht zuletzt wegen des Engagements der Dernbacher Schwestern Silveria, Suitberta, Colettine, Dorothea und der Oberin Schwester Magdalena im Haus in dieser Zeit wuchs die Akzeptanz für die Idee, ein „richtiges Krankenhaus“ zu bauen. Eine Spendensammlung bei den Gläubigen der St. Augustinus-Pfarrei schaffte den Grundstock und die Möglichkeit, einen Bauplatz an der Kirchstraße / Ecke Ringstraße zu erwerben. Groß genug für den Neubau eines Krankenhauses.

Im Februar 1873 übernahm das Marienhospital, wie es seitdem auch offiziell genannt wird, die ersten Patienten aus der Kirchstraße  – nicht ohne Schwierigkeiten, die aber am Ende stets gemeistert wurden. Begleitet von wesentlichen Erkenntnisfortschritten in der Medizin arbeitete das neue Marienhospital, das bis 1977 an seinem Standort Kirchstraße / Ecke Ringstraße verblieb, im Dienste der Menschen in Gemeinde und Stadt und erfuhr diverse Erweiterungen und Ausbauten. Aber eine Konstante blieb: In der Mittelachse des Hauses machte die Krankenhauskapelle rund 100 Jahre deutlich, dass dieses Krankenhaus eine aus der christlichen Religiosität und Überzeugung getragene und geprägte Einrichtung ist. Und bis heute, also auch am aktuellen Standort des Marienhospitals Gelsenkirchen, ist die Krankenhauskapelle ein unverzichtbarer Bestandteil des Hauses – ein Ort der Einkehr und des Gebets.

1970er Jahre: Grundsteinlegung und Eröffnung des Marienhospitals in Ückendorf

Rund einhundert Jahre Marienhospital am Standort Kirchstraße / Ecke Ringstraße: Die Zeit, die Bedarfe, die Möglichkeiten zu heilen und zu behandeln, entwickelten sich rasant. In den 1960er Jahren erwirbt die Propsteigemeinde St. Augustinus  ein ehemaliges Zechengelände und lässt durch das Architekturbüro von Nikolaus Rosiny ein modernes Krankenhaus plus ergänzende Gebäude planen. Nach der Grundsteinlegung am 30. November 1972 durch Bischof Dr. Franz Hengsbach nahm das heute größte Krankenhaus in der Stadt am 29. März 1977 seinen Betrieb an der Virchowstraße auf.

Mehr als 150 Jahre Marienhospital Gelsenkirchen – unzählige Familien in Gelsenkirchen und darüber hinaus verbinden Erinnerungen mit dem Marienhospital. Kein Wunder bei über 26.000 stationären und über 60.000 ambulanten Patientinnen und Patienten im Jahr. Das Marienhospital Gelsenkirchen ist heute ein hochspezialisiertes,  gleichzeitig aber auch in der medizinischen Breite leistungsfähig aufgestelltes Akutkrankenhaus, das sich als Akademisches Lehrkrankenhaus auch in der Ausbildung des medizinischen Nachwuchses stark engagiert und über vierzehn Kliniken und Fachabteilungen verfügt.


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